Was macht eigentlich der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR)? Warum werden ethische Maßstäbe immer wichtiger und was ist das Problem mit Ethikkodizes? Darüber haben wir mit Lars Rademacher, Vorsitzender des DRPR, gesprochen. PR-Ethik – was kann man darunter verstehen?
In seinem Vortrag konnten wir spannende Einblicke in seine Arbeit bei der Organisation bekommen - anschließend hatten wir die Chance, ihn mit unseren Fragen zu löchern, gefolgt von einer Diskussion über die Ethik in der PR. Hier haben wir euch die wichtigsten Key-Learnings zusammengefasst.
PR-Ethik ist grundlegend für das sittliche, moralische Handeln von PR-Praktikern und die Normen, die diesem Handeln zugrunde liegen. Wichtig hierbei sind auch die Begründung dieser Normen sowie ein daraus entstehendes Regelwerk. Auf dessen Grundlage können Handlungsempfehlungen ausgesprochen werden. Das Ganze folgt einer 3-wertigen Logik. „Jemand, der in einer verantwortlichen Kommunikationsposition sitzt, hat drei Entscheidungskorridore.“
Der individuelle Korridor: Das eigene Gewissen
Der berufliche Korridor: Ein Ethos, das im Berufsfeld der PR bestimmte Rahmen vorgibt
Der organisatorische Korridor: Vorgegeben vom Unternehmen (z.B. Compliance Regeln, Code of Conduct)
„Idealerweise liegen diese drei Sphären übereinander und man ist save“, sagt Lars Rademacher. Doch aus eigener Erfahrung kann er berichten, dass das manchmal nicht so einfach ist. Normenkonflikte kommen im Berufsalltag immer wieder vor; werden sie zur Anzeige gebracht, kommt der DRPR ins Spiel.
Was genau macht der DRPR?
Kurz zusammengefasst: „Er produziert Normen, er rügt, er mahnt und er versucht einfach, im öffentlichen Bewusstsein präsent zu sein […] und durch seine schiere Existenz zu zeigen, dass diese Branche schon eigene Maßstäbe hat.“ Wichtige Grundsätze sind Transparenz und Offenheit, Geheimhaltung, Wahrheit und Lüge, Unterschied zwischen Wahrheit und Wahrhaftigkeit, Loyalität.
Die professionelle Ratsarbeit begann ab 1995 und wurde stark von Horst Avenarius geprägt, der 12 Jahre als Vorsitzender tätig war. Der DRPR hat drei Trägervereine (DPRG, GPRA, BdKom), die ihn finanzieren. Die Trägervereine bilden die die juristische Person und schützen so die knapp 20 Ratsmitglieder. Die Arbeit im Verein ist übrigens ehrenamtlich und für Lars Rademacher eindeutig „das schönste Ehrenamt der Branche“.
Wie läuft der Weg bis zur Rüge oder Mahnung ab?
Aufgabe des Rates ist es, Missstände und Fehlverhalten zu rügen. Zunächst werden eingegangene Beschwerden geprüft. Einen vermeintlichen Verstoß gegen den Kommunikationskodex melden kann übrigens jeder. Der DRPR prüft dann, ob er für diesen Fall zuständig ist und ihn annehmen möchte. Damit fällt der Startschuss für eine häufig langwierige Recherche. Entscheidungen über eine Sanktion werden mit mindestens 2/3 Mehrheit getroffen. Lars Rademacher betont allerdings: “Wir sind keine juristische Einheit, wir verurteilen ja auch nicht.“
Neben dem Abdruck von öffentlichen Rügen und Medienberichterstattung über einzelne Fälle fasst der Jahresbericht noch einmal alle Aktivitäten des zurückliegenden Jahres zusammen. Der Rat bearbeitet normalerweise nicht mehr als 30 Fälle im Jahr, die Zahl der Beschwerden ist aber steigend.
Gibt es einen deutschen Ethikkodex?
Eine Grundlage für die Ethikkodizes bildet die amerikanische Declaration of Principles - verfasst im Jahre 1906 von Ivy Lee, einer der Begründer der modernen PR. Im Laufe der Jahre kamen einige weiter Prototypen für europäische und internationale Kodizes. Für Deutschland schrieb Horst Avenarius die 7 Selbstverpflichtungen, in denen ein jedes PR-Mitglied über sich selbst spricht. Sie wurden von der DPRG-Ethikkommission am 16. Januar 1991 in Gravenbruch bei Frankfurt/Main verabschiedet und 1995 als eine der ethischen Maßstäbe des Berufsstands in die DPRG-Leitlinien übernommen. Seit 2012 gibt es den Deutschen Kommunikationskodex, der ständig an neue Entwicklungen angepasst wird. Bei der Bekanntheit dieses Kodex ist allerdings noch Luft nach oben. Round about 60% der Professionals wissen von diesem Kodex; mit einer Kampagne zur öffentlichen Bekennung soll das weiter ausgebaut werden.
Reden „unter 3“
Zum Schluss unserer Sitzung hat Lars Rademacher uns noch etwas „unter 3“ verraten. Was meint das? Wir waren in diesem Moment überfragt, allerdings klärte uns Rademacher auf:
Reden “unter 1”: In einem Gespräch zwischen PR-Professionals und Journalist*innen bedeutet Reden unter eins, dass der/die Journalist*in das Gesagte mit Namen und Quelle verwenden kann.
Reden “unter 2”: Unter zwei heißt, es darf inhaltlich verwendet werden, aber niemand darf wissen, wer die Quelle ist.
Reden “unter 3”: Unter drei reden meint, dass die Information weder gedruckt, noch gesendet, noch die Quelle bekannt gegeben werden darf.
In der anschließenden Fragerunde sind wir in einen regen Austausch gekommen, die interessantesten drei Fragen sind hier für euch zusammengefasst:
Könnt ihr euch selbst engagieren?
Im Rat direkt leider nicht. Bald wird es einen Beirat mit ausgeschiedenen Mitgliedern der Trägervereine geben. Wir haben Lars Rademacher mit unserer Frage auf eine Idee gebracht: „Warum da auch nicht mal ein paar Nachwuchsmitglieder reinpacken? Das ist doch eine gute Idee, die ich hier aus dem Kreis schon mal mitnehme.“ Bis dahin rät er uns, die Berufslandschaft gut zu beobachten. Wenn hier Sachverhalte auffallen, freut sich der DRPR immer über Hinweise. Die könnt ihr ganz einfach über das Formular auf der Website weitertragen: https://drpr-online.de/beschwerden/beschwerdeformular/
Steigt der Ethikbedarf in der Branche?
Ja eindeutig. Es gab einen riesen Sprung durch Influencer, zum Beispiel um die Frage mit der Werbekennzeichnung. Generell steigt die Komplexität durch die Digitalkanäle stark an. Es gibt mehr Raum, aber auch mehr Unsicherheit. Viele Leute seien unsicherer durch mehr Akteure im Markt. Zudem verschwimmen die Grenzen zwischen Werbung und PR häufig in den soziale Medien. Lars Rademacher sieht hier besonders den erhöhten Ethikbedarf.
Wieso gibt es trotz Kodizes immer wieder Übertretungen und Normenkonflikte?
„Wie oft wissen wir doch selbst, was falsch ist?“ war seine Antwort. Professionals würden häufig ein kalkuliertes Risiko eingehen. Besonders in der Frage zwischen Loyalität gegenüber dem Auftraggeber und Wahrhaftigkeit kann man schnell in eine Zwickmühle geraten. Denn in der PR-Branche hat man die „Mitverantwortung für die Gestaltung des öffentlichen Diskurses, aber genauso Verantwortung für das unternehmerisches Wohlergehen“.
Damit bedanken wir uns bei Lars Rademacher für den interessanten Vortrag wie auch die spannenden Insights in die Welt der PR-Ethik!
Malin Neuhaus
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